Tempo 30 auf verkehrsorientierten Strassen innerorts

Die Ausgangslage und der Umgang mit Tempo 30 hat sich in den letzten Jahren – insbesondere aufgrund der Rechtsprechung – schweizweit verändert. Heute ist Tempo 30 in Wohnquartieren breit akzeptiert und weit verbreitet. Vermehrt steht Tempo 30 auch auf verkehrsorientierten Strassen zur Diskussion.

Der Kanton Luzern hat seine Praxis im Umgang mit Tempo 30 auf verkehrsorientierten Strassen innerorts in einem umfassenden politischen Prozess grundlegend neu erarbeitet und mit einem Planungsbericht sowie in der Strassenverkehrsverordnung verankert. 

So läuft die Prüfung von Tempo 30 auf verkehrsorientieren Strassenabschnitten

Wenn Gemeinden Tempo 30 auf einer verkehrsorientierten Strasse einführen möchten, so ist ein Gutachten erforderlich. Die Dienststelle Verkehr und Infrastruktur bearbeitet ein Gesuch in der Regel innert 10 Monaten. 

Der Entscheid, ob Tempo 30 notwendig, zweckmässig und verhältnismässig ist oder ob andere Massnahmen vorzuziehen sind, erfolgt als Einzelfallbeurteilung – individuell und situativ für den jeweiligen Streckenabschnitt.

Im Leitfaden sind alle Voraussetzungen für ein Gesuch, der Prozess und die Beurteilungskriterien dargelegt: 

Leitfaden Tempo 30 auf verkehrsorientierten Strassen innerorts 

 

Kriterien zur Beurteilung von Tempo-30-Gesuchen

  • Lärmbelastung Tag

    Die Betroffenheit steigt, je mehr Personen sich zwischen 6 Uhr und 22 Uhr im Bereich des Streckenabschnitts, auf welchem Tempo 30 beantragt wird, aufhalten und einer Lärmbelastung über dem zulässigen Immissionsgrenzwert ausgesetzt sind. Eine stärkere Reduktion des Lärms durch die Anordnung von Tempo 30, konkret des Mittelungspegels, führt zu einer entsprechend höheren positiven Wirkung.

  • Lärmbelastung Nacht

    Die Betroffenheit steigt, je mehr Personen sich zwischen 22 Uhr und 6 Uhr im Bereich des Streckenabschnitts, auf welchem Tempo 30 umgesetzt werden soll, aufhalten und einer Lärmbelastung über dem zulässigen Immissionsgrenzwert ausgesetzt sind. Eine stärkere Reduktion des Lärms, konkret des Mittelungspegels, durch die Anordnung von Tempo 30 führt zu einer entsprechend höheren positiven Wirkung.

  • Objektive Verkehrssicherheit (generell)

    Die Betroffenheit steigt, je mehr Unfälle mit Verletzten in den letzten fünf Jahren polizeilich registriert wurden. Die Wirkung von Tempo 30 wird in Abhängigkeit der durchschnittlichen Anzahl Fahrzeuge bewertet, wobei davon ausgegangen wird, dass die Verkehrssicherheit mit Tempo 30 erhöht wird.

  • Subjektive Verkehrssicherheit (Fuss- und Veloverkehr)

    Für die subjektive Sicherheit wird keine Betroffenheit ermittelt. Die Wirkung von Tempo 30 auf die subjektive Sicherheit wird auf einer Skala von 1–5 beurteilt. Eine Rolle spielen z.B. ob die Zone ein Schulhaus oder Kindergarten beinhaltet, welche Arten von Veloverkehr häufig sind, welche Altersgruppen zu Fuss unterwegs sind, ob die Lichtsignalanlagen bei Tempo 30 so geschaltet werden, dass auch Velofahrende von einer grünen Welle profitieren etc.

  • Reisezeitverlust des motorisierten Individualverkehrs und des Wirtschaftsverkehrs

    Die Betroffenheit steigt, je mehr Fahrzeuge (inklusive Wirtschafts- und Schwerverkehr) die Strecke pro Stunde befahren. Eine höhere Betroffenheit bedeutet in diesem Fall eine tiefere Bewertung. Die Auswirkung von Tempo 30 wird auf Basis der Streckenlänge (je länger, desto höher ist die Wirkung) und der aktuell gefahrenen Geschwindigkeit beurteilt (wird heute 35 km/h gefahren, ist eine Temporeduktion weniger gravierend, als wenn heute 50 km/h gefahren wird). Ein allfällig festgestellter, negativer Einfluss auf Blaulichtorganisationen, wird bei der Beurteilung berücksichtigt.

  • Auswirkungen auf den öffentlichen Verkehr

    Die Betroffenheit steigt, je mehr Menschen den öV nutzen. Die Auswirkungen einer längeren Reisezeit werden anhand von Folgeklassen beurteilt. Die Folgeklassen berücksichtigen, ob aufgrund des Reisezeitverlustes mehr Fahrzeuge eingesetzt werden können oder ob Anschlüsse nicht mehr gewährleistet werden können.

  • Funktion der Strasse

    Die Betroffenheit steigt, je höher die Strasse klassiert ist. Dabei wird auch die Durchgangsstrassenverordnung berücksichtigt. Je höher die Strasse klassiert ist, desto weniger Punkte erhält sie. Die Veränderung beschreibt das Potential für Ausweich- oder Schleichverkehr durch Quartiere. Je höher das Potential, desto tiefer die Beurteilung.

  • Funktion und Bedeutung der Strasse im Verkehrsnetz

    Die Funktion und Bedeutung der Strasse im Verkehrsnetz wird auf einer Skala von 1–5 beurteilt. Beurteilt wird insbesondere die heutige Funktion und Bedeutung anhand des durchschnittlichen täglichen Verkehrs (DTV) und des Schwerverkehrsanteils.

  • Rolle der Strasse in Bezug auf die Erschliessung der Region

    Für die Rolle der Strasse in Bezug auf die Erschliessung der Region wird keine Betroffenheit ermittelt. Die Beurteilung erfolgt auf einer Skala von 1–5. Beurteilt wird, welche Rolle die Strasse in Bezug auf den Erschliessungsgrad der Region und die übergeordnete Verkehrsinfrastruktur spielt.

  • Wohn- und Aufenthaltsqualität

    Die Betroffenheit steigt, je höher das Potential für eine Verbesserung ist. Die Wirkung von Tempo 30 beschreibt den Beitrag, den Tempo 30 zur Nutzung dieses Potentials leisten kann. Je höher das Potential und je höher der Beitrag durch Tempo 30, desto höher fällt die Bewertung aus.

  • Optionale Kriterien in Abhängigkeit der spezifischen Örtlichkeit

    Je nach Örtlichkeit kann die Aufwertung des Ortsbilds oder das Potenzial für Siedlungsentwicklung mitbeurteilt werden. Diese Kriterien sind beispielsweise für Kernzonen, die unter Denkmalschutz stehen oder im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung verzeichnet sind, relevant.

  • Übergeordnete Netzbetrachtung

    Die Netzfunktion der Strecke soll nicht verändert oder beeinträchtigt werden. Die Dienststelle vif beurteilt die Auswirkungen eines einzelnen Abschnitts auch unter Berücksichtigung weiterer Abschnitte in anderen Gemeinden, die kumuliert dazu führen können, dass Tempo 30 nicht verhältnismässig ist. Im Vordergrund stehen bei dieser Betrachtung die Kriterien Reisezeitverlust und Auswirkungen auf den öV.

Grundlagen

Nach heutiger Gesetzgebung auf Bundesebene gilt auf Strassen innerorts generell Tempo 50. Das Abweichen von den allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten – und damit die Anordnung von Tempo 30 auf verkehrsorientierten Strassen innerorts – ist damit abschliessend im Bundesrecht geregelt. Es kann aus vier Gründen eine tiefere Höchstgeschwindigkeit angeordnet werden (Art. 108 SSV):

  • wenn eine Gefahr nur schwer oder nicht rechtzeitig erkennbar und anders nicht zu beheben ist (Verkehrssicherheit);
  • wenn bestimmte Strassenbenützer eines besonderen, nicht anders zu erreichenden Schutzes bedürfen (besonderer Schutz von einzelnen Strassenbenützern);
  • wenn auf Strecken mit grosser Verkehrsbelastung der Verkehrsablauf verbessert werden kann (Verbesserung des Verkehrsablaufs);
  • oder wenn im Sinne der Umweltschutzgesetzgebung übermässige Umweltbelastung (Lärm, Schadstoffe) vermindert werden kann (Verminderung übermässiger Umweltbelastung). 

Rechtsgrundlagen auf Bundesstufe

Kantonale Grundlagen 

Weitere Informationen

Symbolbild Faktenblätter Tempo 39

Wie wirkt Tempo 30? 

Acht Faktenblätter geben einen Überblick zu den Themen Lärm, Luftqualität, Lebensqualität, Verkehrssicherheit, Reisezeit für Auto und öV, Schleichverkehr und Leistungsfähigkeit.

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